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naked kolorit

In einer Neuköllner Eckkneipe


Der Betreuer

Pedda: ″Det is Jonas, mein Betreuer, seit drei Jahre schon, wa Jonas!″
Jonas lächelt.
Wolfgang:″Ich dachte, du bist der Betreuer von Dieter?″
Pedda: ″Nee, nur der Nachbar, Dieter hat´n anderen Betreuer, und det is ne Frau″
Wolfgang:″Ach wie jetze, da biste jarkein Betreuer″
Pedda: ″Nee, sag ick doch, nur der Nachbar.″
Wolfgang:″Aber Geld kriegste trotzdem.″
Pedda: ″Wegen Jonas krieg ich ja jetzt ooch mein Taschengeld, jede Woche″.
Er schaut Jonas an.
Wolfgang:″Nee, ick meine doch die Kohle für den Dieter.″
Pedda: ″Det is doch jar nich offiziell, det mit dem Dieter,
da helf ick ab und zu mal`n bisschen und kann mir nüzlich machen″.




Die Kneipe

Neuköllner Eckneipen sind kleine Biotope, in denen sich die Nachbarschaft trifft.
Die Betreuten, die Phantasten, die Trinker und die Trockenen.
Die mit Arbeit und die ohne Arbeit.

Die Cousine, eines ehemaligen Bundespräsidenten,
die Journalistin, die über die Mode der Reichen schreibt,
der Opernsänger, der schon lange kein Publikum mehr findet und all die vielen Anderen.
Manche kommen 2 oder 3 mal die Woche , andere täglich.

Da war Manne, der sich stundenlang mit einer Holzsäule unterhalten konnte.
Seitdem der Wirt renoviert hat, ist die Säule weg und Manne kommt nicht mehr.

Ab und zu stirbt auch mal einer,
dann wird noch zwei, drei Wochen über ihn geredet.
Wenn einer ein Problem hat, heisst es oft
″Hätt er doch mal früher wat jesagt″.
Man hilft sich, so gut es geht.
Oft nur durch zuhören, aber auch das hilft.

Befindlichkeiten

Ich komme in die Kneipe, sehe Hubert und sage:
″Tach, Herr Oberlehrer!″
Hubert schaut etwas vergrätzt und sagt nichts.
Nach dem dritten Wein springt er auf und geht zum Tisch nebenan.
″Dieser Provinz Hanswurst, dieser Möchtegern Künstler, dieser Möchtegern Neuköllner″
... er ringt nach Worten und zeigt mit augestrecktem Arm in meine Richtung.
″nennt mich Oberlehrer, mich einen Österreicher, das ist eine Beleidigung″
... er schnappt nach Luft, die Gäste vom Nachbartisch versuchen ihn zu beruhigen.
″Oooooberlehrer, so eine Beleidigung …. und ich dachte ich bin hier unter Freunden″.
Hubert bestellt sich noch einen Wein,
lässt sich wieder in seinen Stuhl fallen und wirft mir einen extrem miesen Blick zu.